Angst auf der Autobahn by Wolf Stefan

Angst auf der Autobahn by Wolf Stefan

Autor:Wolf, Stefan [Wolf, Stefan]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Der TKKG-Häuptling plazierte das Gerät wieder unterhalb der rechten Niere und schwang sich aufs Bike.

11. Willerts Schlupfwinkel

Die Leute, denen der kleine Bungalow am Stadtrand gehörte, waren offensichtlich verreist. Sie hatten zwar die Post abbestellt, nämlich lagern lassen bis zur Rückkehr, ebenso die Zeitung. Dennoch — der Briefkasten quoll über. Reklamezettel, Anzeigenblätter. Und das seit einem Monat — wie Willert an den Daten feststellte.

Ihm war der Briefkasten aufgefallen. Er hatte das Haus umrundet, die Situation ausbaldowert und dann die Hintertür geknackt — so fachmännisch, daß man sie dennoch schließen, jedenfalls einklinken konnte. Auch bei Tage würde nichts auffallen. Jetzt war es nach 21 Uhr. Der Ausbrecher hatte sich im Haus umgesehen und alles erkundet. Ja, man war verreist — offenbar für längere Zeit. Die Stecker aller Elektrogeräte waren aus den Dosen gezogen: TV, Stehlampen, Fax-Gerät, die elektronische Schreibmaschine im Büroraum, die Radios. Die Hausbewohner waren offensichtlich besorgt, daß ihr Bungalow vom Blitz getroffen werden könnte. Dann muß ja das Haus nicht gleich abbrennen. Aber Blitze fahren in die elektrische Leitung und zerstören die anhängenden Geräte.

Willert machte kein Licht.

Die Beleuchtung der Straßenlaterne durch die Fenster herein — genügte.

Willert dachte für einen Moment an den Jungen.

Nun, verhungern würde der nicht. Aber eine schlechte Nacht hatte er vor sich.

Willert hatte einen Plan. Um den zu verwirklichen, war keine Mühe zu groß.

Im Eiltempo war er den langen Weg zum Hängelwald zurückgelaufen, hatte mehrmals Polizei-Hubschrauber am Himmel gesehen, aber dann bei der Jagdhütte keinen einzigen Uniformierten. Dort hatte die Nacht begonnen, und der Wald war still.

Niemand vermutet, daß ich hierher zurückkomme, dachte Willert — und holte die beiden Jagdgewehre aus ihrem Versteck. Samt der Munitionsschachteln.

Er schulterte die Waffen. In der Dunkelheit konnte er sie tragen. Weder er noch die Tötungsgeräte fielen auf.

Jetzt hatte er sie hier. Sie lagen im Wohnraum auf dem Glastisch und hinterließen Kratzer von Kimme und Korn.

Im Keller war eine Speisekammer. Willert fand Vorräte und schlug sich die Wampe voll. Er trank drei Flaschen Bier und rülpste wie ein Nilpferd, worauf der Raum nach Ölsardinen roch. Willert hatte mehrere Dosen vorgefunden und den Inhalt vertilgt. Ölsardinen waren seit jeher seine Lieblingsspeise, dicht gefolgt von geräuchertem Aal und fetter Leberwurst. Und zu allem trank er Bier. Jahrelang hatte er darauf verzichten müssen, volle sieben Jahre.

War es Gedankenübertragung? Eine Art Telepathie?

Willert wußte, daß sein ehemaliger Freund, den er seit 15 Jahren nicht mehr gesehen, aber in guter Erinnerung hatte — Willert wußte, daß sich Spelter nun auf freiem Fuß befinden mußte, falls alles seinen normalen Gang gegangen war.

Allerdings irrte sich Willert, indem er meinte, Horst Spelter wäre schon vorigen Monat entlassen worden. War der Komplice von einst inzwischen bei Willerts Mutter gewesen? Die Stahlkassette, die den verbleibenden Teil von Spelters Beutezügen enthielt, war sicherlich viel wert — obwohl Willert vom Inhalt keine genaue Vorstellung hatte.

Vielleicht sitzen die Bullen bei ihr, dachte er. Aber ein kurzer Anruf schadet nicht.

Der Ausbrecher griff zum Telefon und wählte.

Nach einer Weile wurde abgenommen.

„Willert“, hörte er die Stimme seiner Mutter.

Im Hintergrund wurde gedämpft geredet, untermalt von schmalzigem Kuschelrock. Das klang nach einem unbedarften TV-Film.



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